Liberation Pledge ultralight

So viel vorab: Meine Gabeln befinden sich alle noch in der Geschirrschublade und nicht in gebogenem Zustand um mein Handgelenk.

Und wenn ihr jetzt nicht den blassesten Schimmer habt, wovon ich überhaupt rede … Macht nichts. Das ging mir bis vor wenigen Monaten genauso.

Bis ich über ein Video dazu von Joshua Entis gestolpert bin.

Die Ultrakurzfassung: Bei der „Liberation Pledge“ verschreibt man sich dem Ziel der Befreiung aller Tiere so vollständig, dass man es auch ablehnt, an einem Tisch zu sitzen, an dem auch Tierprodukte verspeist werden. Um ein Zeichen zu setzen … oder weil man es schlichtweg nicht mehr ertragen kann, dieser Ungerechtigkeit beizuwohnen.

Als Symbol dafür trägt man einen Gabelarmreif.

Erst dachte ich, diese konsistente Einstellung sei so selten, dass ich das wohl ausserhalb des World Wide Web nicht zu sehen bekommen würde. Mittlerweile weiss ich es besser. Solche Aktivisten gibt es auch in der kleinen Schweiz. Habe sie mit eigenen Augen gesehen.

Ich habe sie angeschaut mit einer Mischung aus Bewunderung und Befremdnis. Bewunderung weil sie es durchziehen. Weil sie sich weigern, still danebenzusitzen während jemand Fleisch isst. Weil sie den Mut haben, so fest zu ihren Überzeugungen zu stehen, dass diejenigen, denen das nicht passt, sie einfach mal können…

Befremdnis weil sie sogar mir „extrem“ vorkommen. Sogar mir, die weiss, dass nicht der Verzicht auf Tierprodukte die extreme Handlung ist, sondern das Einsperren, Vergewaltigen und Töten von anderen fühlenden Wesen. Mittlerweile weiss ich, dass ich es „extrem“ finde, weil ich zweiunddreissig Jahre lang von der karnistischen Ideologie indoktriniert wurde. Einige vegane Jahre später werde ich die Gehirnwäsche hoffentlich hinter mir gelassen haben.

Und trotzdem werde ich auch dann – mit hoher Wahrscheinlichkeit – keine Gabel ums Handgelenk tragen.

Mein wichtigster Grund dafür ist die Überzeugung, dass dies die Ausbreitung der veganen Lebensweise nicht fördern würde.

Viele Menschen denken leider immer noch, dass Veganer ausser Tofu und Bio-Rüebli gar nichts mehr essen können. Wenn sie nun also auch noch das Bild vermittelt bekommen, dass man das Rüebli isoliert von Freunden und Familie knabbern muss, weil man sich selbst verbietet, mit ihnen den Esstisch zu teilen…

… wie wahrscheinlich ist es dann, dass sich die Leute gegenüber dem veganen Lifestyle öffnen?

Und wie viele Chancen zu guten Gesprächen mit Allesessern vertun wir, wenn wir uns in unsere kleine vegane Blase zurückziehen?

Wie können wir einen nachhaltigen und friedlichen Lebensstil vorleben und fördern, wenn wir uns derer entziehen, die uns noch am ehesten Aufmerksamkeit und Gehör schenken würden? Unseren Eltern, Freunden und Arbeitskollegen, mit denen wir sonst Zeit am Tisch verbracht hätten.

Das sind meine Gründe, um zu schweigen, wenn mein Gegenüber im Restaurant Fleisch bestellt. Nebst der Tatsache, dass ich mich regelmässig selber ermahne, an die Jahrzehnte zu denken, während derer mir selbst der Konsum von Tierprodukten ganz normal vorkam.

Das soll aber keinesfalls heissen, dass ich die Liberation Pledge verurteile oder ablehne. Genauso wenig soll es heissen, dass ich bereit bin, jedwedes Mass an Verherrlichung des Karnismus lächelnd zu erdulden.

Meine Grenze erkannte ich als unsere Marketing-Chefin uns heute bat, uns in die Liste fürs Firmengrillfest im Juni einzutragen. Ob man beim Essen dabei ist und was man von den Optionen – Schwein, Lamm, Rind, Poulet, vegetarisch – alles möchte.

Mit absoluter Sicherheit würde die Kategorie „vegetarisch“ auch genügend vegane Optionen für mich beinhalten. Das ändert aber nichts daran, dass mir mittlerweile der Gedanke, an einem Grillfest teilzunehmen, absolut zuwider ist. Da geht es nicht ums Beisammensein und man isst irgendetwas, das zufällig auch tierischen Ursprungs ist. Es geht ganz explizit und vorrangig darum, masslos Fleisch zu konsumieren. Es wird geradezu zelebriert.

Für mich ist das eine Grenzüberschreitung. Ich sehe mich jetzt schon mit eingefrorenem Lächeln und so viel Wut im Bauch, dass ich nicht mal das sicher fabelhafte vegane Essen geniessen könnte.

Ich werde mich also verabschieden, sobald die toten Tiere auf den Rost gelegt werden.

Genausowenig würde ich einer Essenseinladung ins Steakhouse folgen und wenn die vegane Essensalternative dort auch noch so fantastisch wäre.

Das ist meine persönliche ultralight Variante der Liberation Pledge.

2 Gedanken zu „Liberation Pledge ultralight

  • 2020-08-02 um 17:16 Uhr
    Permalink

    Interessanter Beitrag und coole Ultralight-Variante

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