Ein Aktivisten-Workshop zum Nachdenken. Zum Umdenken?

Ein weiteres Wochenende, das im Zeichen des Aktivismus stand. Diesmal in der Form eines zweitägigen Workshops des CEVA (Center for Vegan Advocacy), durchgeführt von niemand Geringerem als Dr. Melanie Joy und Tobias Leenaert. Mein Ziel: Lernen, wie man noch effektiver mit Nicht-Veganern kommuniziert.

Meine Erwartungen an das Training wurden mehr als übertroffen und – was vielleicht noch wichtiger ist – es hat mich dazu gebracht, meine Einstellung zu gewissen Themen zu überdenken.

Ich habe in den letzten Monaten immer häufiger festgestellt, dass es mir angesichts von manchen Personen (z.B. Leuten, die Kommentare vom Stapel lassen à la „in deinem Salat sind aber vielleicht Insekten, also isst du ja gar nicht vegan, haha“), nur noch nach aussen hin gelingt, versöhnlich zu wirken. Mitzulachen. Geduldig die immergleichen Fragen zu beantworten. Bloss nicht ein Bild abzugeben, dass wir Veganer freudlos wären oder keinen Spass verstünden.

Innerlich gelang es mir aber nicht immer, zu jedem von ihnen eine positive Einstellung zu bewahren. Der Gefahren einer solchen inneren Radikalisierung war ich mir zumindest ansatzweise bewusst und erhoffte mir vom Workshop Anregungen für Gegenmassnahmen.

Dann ist da natürlich noch der Aktivismus mit Anonymous for the Voiceless und der Wunsch, es noch besser zu machen. Mehr Menschen dazu zu bringen, nicht mehr an der Ausbeutung der anderen Tiere teilzunehmen.

Erst letztens wurde ich von meinem (nicht-veganen) Kumpel R. gefragt, ob es denn nicht mehr bringen würde, wenn wir an den Cubes versuchten, die Menschen dazu zu bringen, weniger Fleisch zu essen statt ganz auf tierische Lebensmittel zu verzichten.

Ganz linientreu betete ich ihm herunter, warum Anonymous einen abolutionistischen Ansatz verfolgt, sprich warum das Ziel nur sein kann, ein vollständiges Ende der Ausbeutung zu erreichen.

Wenn ich ehrlich zu mir bin, wusste ich damals schon, dass R. eigentlich recht hat. Nur eingestehen wollte ich es mir in jenem Moment nicht.

Für solche Fälle ist es dann eben doch gut, wenn einem zwei Koryphäen in Sachen Einsatz für Tierrechte vorrechnen, warum es eben doch nicht wir, die kleine Minderheit sind, welche zur grössten Reduktion von Fleischkonsum beitragen. (98% der veganen Alternativprodukte werden von Nicht-Veganern gekauft).

Die ganzen Omnivoren, die ab und zu auf Fleisch verzichten, haben – absolut betrachtet – weil sie so viele sind einen grösseren Einfluss als wir paar Idealisten.

Trotzdem. Mir – und so geht es sicher auch den meisten anderen Workshop-Teilnehmern – fällt es, wenn jemand nur noch halb so viel Fleisch isst, schwer, mich über die 6 verschonten Tiere pro Jahr zu freuen. Weil dann nämlich immer noch 6 Tiere jährlich bleiben, die leiden und sterben müssen. Das sind 6 zu viel. Und da bleiben sogar noch die Tiere aussen vor, die zwar vorerst überleben, aber elend dahinvegetieren, damit wir Milch und Eier haben.

Die Message war aber ziemlich klar: Unser Idealismus ist schön und gut, aber ihn radikal auszuleben, dient der Sache nicht. Was wir tun, muss zielführend und strategisch sein. Wir müssen so handeln, dass so viele Tiere wie möglich gerettet werden.

Und wir müssen die Menschen positiv dazu anregen, ihre Ernährung umzustellen. Ein schlechtes Gewissen mag bei einigen tatsächlich helfen, ihr Verhalten zu ändern. Die breite Masse hingegen gerät so nur noch tiefer in eine Abwehrhaltung.

Wenn ich meinen Freund R. das nächste Mal sehe, werde ich mit ihm also hoffentlich nicht wieder über geschredderte Küken reden, sondern darüber, dass ich mich gefreut habe, dass wir in ein rein veganes Restaurant gegangen sind. Oder – man stelle sich vor, dass das möglich ist 😉 – über ganz etwas anderes. Denn das haben wir am Wochenende auch gelernt: Wir müssen uns nicht als Vollzeit-Aktivisten betrachten. Es ist in Ordnung, sich auch mal einfach einen schönen Abend zu machen. Im Herzen sind wir immer Anwälte der Tiere, aber wir können und müssen auch mal eine Auszeit davon nehmen, dies nach aussen zu vertreten.

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