Letztens in einem Laden. Eine Bekannte, die kürzlich erfahren hatte, dass ich Veganerin geworden bin, meinte mit Blick auf das Schokoladenregal zu mir: «Das kannst du ja jetzt gar nicht mehr essen, ist ja Milch drin.» Und fügte nach einer kurzen Denkpause hinzu: «Aber was ist eigentlich das Problem? Man tut den Kühen ja eine Wohltat damit, wenn man sie milkt.»
Die rote Lampe in meinem Gehirn ging innerhalb von Sekundenbruchteilen an. Ich war soeben in eine Diskussion gezogen worden, die sehr leicht in ein unschönes Wortgefecht ausarten konnte und darauf hatte ich in dem Moment echt keinen Bock.
Unter Aufbietung erheblicher mentaler Anstrengung schaffte ich es, gleichzeitig eine Gesichtsentgleisung zu verhindern und einen ruhigen Tonfall beizubehalten. «Also eigentlich müsste man die gar nicht melken, denn normalerweise würden ja die Kälber die Milch trinken. Aber die nehmen wir den Kühen weg und machen Kalbfleisch daraus, damit wir die Milch haben können.»
Meine Bekannte antwortete ohne zu zögern: «Ja, aber es gibt ja auch Milch von Kühen, die keine Kälber haben.»
Ähm… nein…
Ich erklärte, dass – wie wir Menschen auch – Kühe nur Milch geben, wenn sie Nachwuchs haben. Und war erleichtert, dass wenigstens nicht dagegen andiskutiert wurde. Natürlich hat die Bekannte dann trotzdem die Schokolade gekauft, aber ich verbuche es dennoch als Erfolg, dass ich ihr diese Information vermitteln konnte.
Um ganz ehrlich zu sein: Bevor ich mich gründlich über das Thema Ernährung und Nahrungsmittelindustrie informiert habe, dachte ich selber auch nicht viel darüber nach, dass Kühe gekalbt haben mussten, um Milch zu geben.
Ich denke und befürchte, ich bin damit nicht allein. Schon der Begriff der «Milchkuh» vermittelt einem, dass Milchgeben irgendwie der natürliche Zustand der Kuh sei. Und überhaupt bekommen wir ja schon von klein auf vermittelt, dass Milchgeben und später ein Steak werden die natürliche Bestimmung der Kuh sei.
Die meisten Menschen würden es nicht tolerieren, dass man sie auf zwei Funktionen reduziert, anstatt sie als Individuum wahrzunehmen und ihre Persönlichkeit als Ganzes zu wertschätzen.