Die Massentierhaltungsinitiative

Als ich erfuhr, dass Bekannte nächsten Sonntag Unterschriften für die Massentierhaltungsinitiative sammeln werden, fragte ich mich, ob ich das überhaupt unterstützen solle. So aus dem Bauch heraus fand ich nämlich, dass damit dem Ziel, die Tiere aus ihrer Versklavung durch uns zu befreien, nicht wirklich gedient würde. Aber ich wollte auch nicht voreilig darüber urteilen, ohne mich richtig darüber informiert zu haben.

Zunächst mal kurz zur Erklärung für alle Nicht-Schweizer: Eine Volksinitiative ist ein politisches Begehren mit dem Ziel, die Bundesverfassung abzuändern. Dafür müssen die Initianten innerhalb von 18 Monaten 100‘000 Unterschriften von stimmberechtigten Bürgern sammeln, welche die Sache unterstützen. Wird dieses Ziel erreicht, gelangt der Verfassungsänderungsvorschlag in den Bundesrat und ins Parlament, welche dann eine Volksabstimmung aufgleisen.

Bei der Initiative ‚Keine Massentierhaltung in der Schweiz‘ geht es darum, das Recht der Tiere, nicht in Massentierhaltung zu leben, in der Verfassung festzuschreiben. Der Initiativtext passt auf ein Drittel einer Din A4-Seite, weshalb nicht verwundert, dass darin keine konkreten Massnahmen zu finden sind. Er verweist allerdings auf die Richtlinien von Bio-Suisse. Wie ihr euch denken könnt, führt es noch lange nicht zu glücklichen Tieren, wenn man irgendwo „Bio“ davor setzt.

Spassenshalber habe ich trotzdem mal durch die Richtlinie geblättert und mich gefragt, wie es einem als Tier in der ach so tollen Bio-Landwirtschaft wohl geht. Ich wiege etwas unter 50kg, also würden auf mich die Bestimmungen zu Mastschweinen in Vormast mit 25-60 kg Lebendgewicht zur Anwendung kommen. Danach hätte ich spatiöse 0,45 m² Auslauffläche zugut. Liegefläche 0,4 m². Ich versuche mich zu erinnern, wann ich das letzte Mal eine derartige Beengtheit ertragen musste. Das war wohl an einem absolut bescheidenen Langstreckenflug mit AirFrance, auf dem ich vor lauter unbequem die ganze Nacht kaum ein Auge zugemacht habe. Aber die Schweine stört das ja bestimmt nicht so sehr. Die kennen das schliesslich nicht anders. (Bitte mit ironischem Unterton lesen…)

Was allerdings ganz konkret im Initiativtext steht, ist, dass den Betrieben für die Umstellung auf die neuen Standards eine Übergangsfrist von bis zu 25 Jahren eingeräumt wird. Richtig gelesen. Ich habe nicht versehentlich das Komma zwischen der 2 und der 5 vergessen.

Bis zu 25 Jahre kann man also weitermachen wie bisher und sich darauf berufen, dass man schon noch dafür sorgen wird, dass jedes Schwein endlich seine 0,4 m² Luxussuite bekommt. WTF!

Und wenn dann deshalb das Kilo Fleisch einen Franken teurer wird, fahren Herr und Frau Schweizer eben einfach noch etwas öfter über die Grenze, um deutsches, französisches oder italienisches Billigfleisch zu kaufen. Wenn die Grenze zu weit weg ist, verhilft der Gang in den nächstgelegenen Discounter zur günstigen Importware. Dann können sie am Mittagstisch auf ihrem Schnitzel aus Qualproduktion herumkauen und das auch noch mit gutem Gewissen, weil wir ja in der Schweiz laut Gesetz offiziell keine Massentierhaltung mehr haben.

Ich versuchte mich wieder etwas abzuregen, indem ich mich daran erinnerte, dass jeder Schritt in die richtige Richtung zählt, so klein er auch sein möge. Aber ist das wirklich so?

Bei meinen Recherchen stiess ich auch auf die sehr lesenswerte Stellungnahme von Swissveg. Ganz besonders der letzte Teil des Artikels ist absolut augenöffnend. Darin wird gegenübergestellt, was bei einer Annahme oder einer Ablehnung der Initiative passiert. Der Abriss in Kürze:

Ein „Ja“ führt dazu, dass man sich in punkto Tierschutz bereits am Ziel fühlen wird, obwohl durch die Initiative das Tierleid höchstens geringfügig gelindert wird.

Ein „Nein“ würde heissen, dass die Initiative unnötig war, weil wir ja bereits eine ganz tolle eidgenössische Höchstbestandsverordnung haben. Nach der sind pro Betrieb zum Beispiel 1´500 Mastschweine oder 27´000 Mastpoulets zugelassen. Siebenundzwanzigtausend. So viele Besucher kamen zum Beispiel 2015 zum Chiemsee-Summer-Festival. Stellt euch mal vor, wie es ist, in einer lauen Sommer-Nacht unter dem Sternenhimmel in dieser gigantischen Masse zu stehen. Jetzt denkt euch die Musik, die frische Luft und den Sternenhimmel weg und stellt euch dazu vor, dass ihr nicht einen Abend, sondern euer ganzes miserables Leben so verbringt. Das muss eine einzige Party sein für die Tiere. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Also, egal wie es ausgeht, die Message ist, dass hier ja das Tierparadies herrscht. Entweder jetzt schon oder spätestens wenn die Bio-Richtlinien schweizweit umgesetzt sind.

Ja, und jetzt?

Mein ungutes Gefühl bezüglich der Initiative wurde bestätigt und gleichzeitig wurde mir bewusst, dass es nur noch darum gehen kann, das Kleinere der beiden Übel zu wählen.

Letzlich spricht mir die Stellungnahme des Vereins gegen Tierfabriken aus der Seele. Jeder muss das natürlich für sich selber entscheiden, aber ich bin gegen die Initiative. Damit spanne ich mal den Regenschirm auf für den Fall eines Shitstorms. Egal, was kommt, es kann nicht so schlimm werden wie sein Leben auf weniger als einem halben Quadratmeter in der eigenen Scheisse stehend zu verbringen.

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