In meiner Jugend war ich im wahrsten Sinne das schwarze Schaf in meiner Familie. Schwarze Kluft, schwarzgefärbte Haare, kalkweiss geschminktes Gesicht und Nietenhalsband. Ich glaube, meine Mutter war wahnsinnig erleichtert, als sich so um meine Volljährigkeit herum mein Kleiderschrank graduell wieder aufhellte. Sie hatte sicher die Hoffnung, ich wäre ab dann «angepasst». So richtig wurde ich das nie, aber das wurde von meiner Familie dann doch recht gut akzeptiert.
Aber das mit dem Umstieg auf vegan muss für sie schon ein starkes Stück sein. Schliesslich ist es ein Bruch mit ihrer fleischlastigen Essenstradition und der Verehrung alles Käsigen. Umso mehr freue ich mich, dass sie meine Entscheidung akzeptieren. Und bis jetzt aufgeschlossen alles probiert haben, was ich auf den Tisch brachte. Nicht nur probiert, sondern sogar für sehr gut befunden, insbesondere das Spinat-Börek-Gratin und die vegane Lasagne. Die vegane Wurst, die ich heute mit meiner Mama hergestellt habe, rief hingegen keine Begeisterungsstürme hervor. Naja, Fehlversuche gehören eben dazu.
Alles in allem könnte man sagen, dass bei uns am Essenstisch Friede Freude Eierkuchen herrscht. Ich mache niemanden blöd an, weil er irgendetwas Tierisches isst, muss aber selber auch keine Sticheleien ertragen. Meine Familie liebt mich eben und das ändert sich auch nicht, dadurch, dass ich… nicht mehr «normal» esse. Ganz genau das werden sie nämlich denken, dass sie normal essen und ich irgendwie komisch. Momentan sehe ich lieber davon ab, mal mit ihnen zu diskutieren, warum es eigentlich normal sein soll, andere Tiere zu töten und auszubeuten, nur weil man es kann.
Das Sich-nicht-streiten-wollen beruht auf Gegenseitigkeit und dennoch fällt es beiden Seiten nicht immer leicht, dieses grosse Mass an Toleranz an den Tag zu legen. Besonders aufgefallen ist mir das, als meine Mutter mit meiner Oma telefoniert hat. Sie solle bloss nicht extra Kuchen machen, weil ich ja keine Eier mehr esse. Darauf folgte ein kurzer Wortwechsel über meine neue vegane Ernährung, den meine Mutter dann schloss mit den Worten: «Naja, das ist jetzt halt so.» Vom Wortlaut her ja eher positiv, aber dieser Da-müssen-wir-jetzt-halt-durch-Tonfall… übergehend in einen leichten Seufzer. In dem Moment wusste ich: Ich bin wieder das schwarze Schaf in der Familie. Zum Glück habe ich damit schon Erfahrung.