2021 mutiert immer mehr zu dem Jahr, in dem ich meine kindliche Naturverbundenheit wiederentdecke. Wandern gehe ich zwar schon seit Jahren gerne, aber das Thema Nahrungssuche in der Natur lag wirklich Jahrzehnte lang brach. Seit ich in meinem aktuellen Job bin, denke ich so oft: „Haltet die Welt an, ich will aussteigen!“ Scheint so, als wären die Stunden im Wald genau die Gelegenheit, um das viel zu schnelle Leben für ein paar Stunden zu entschleunigen.
Am Samstag war ich auf einer halbtägigen Exkursion mit einem Pilzkontrolleur und es war absolut super. Dass wir Bombenwetter hatten, trug sicher auch zu dem tollen Erlebnis bei. Vor allem war es jedoch einfach spannend, ihm zuzuhören und neue Pilze und ihre Merkmale zu entdecken. Da ich mir laufend Notizen zu den abfotografierten Pilzen machte, vergingen die vier Stunden wie im Flug.
Es war, wie schon das Pilzesammeln mit meinen Eltern, ein weiterer Baustein für meinen Mut, irgendwann allein Pilze zu sammeln. Nach Kursende machten sich alle anderen direkt auf den Heimweg, aber ich wollte den Wald noch etwas geniessen und hoffte, vielleicht den Ort mit den Totentrompeten wiederzufinden, an dem wir vorbeigekommen waren.
Totentrompeten. Ich hatte noch keine Ahnung, wie die schmecken, aber allein schon der Name und die düstere Optik der Pilze liessen mein kleines makaberes Herz höher schlagen. Sie wiederzufinden, war für jemand ohne Orientierungssinn nicht einfach, aber letztlich gelang es mir und die Freude war gross. Passend dazu fand ich auch noch eine Menge der schönen violetten Lacktrichterlinge. Zusammen ergab das eine ordentliche Schüssel voll dunkeldüsterer Pilze, eigentlich ein perfektes Halloween-Essen.
Einen riesigen Fichtenreizker und einen grossen Maronenröhrling verarbeitete ich zu Pilzragout, während ich meine dunkle Ausbeute mit Öl und Zwiebeln in der Pfanne briet. Mein Partner und sein Bruder waren auch beim Abendessen dabei. Es war für mich schon eine Überwindung, nicht nur allein gesammelte Pilze zu essen, sondern sie auch noch anderen Leuten aufzutischen. Aber ich hatte ja nur solche gesammelt, bei denen ich mir wirklich sicher war. Vor allem die Bratpilze kamen als Beilage zu den Spaghettini wahnsinnig gut an. Alles in allem ein wunderschöner Samstag.
Klar, finanziell lohnt sich Pilzesammeln überhaupt nicht für jemanden, der erwerbstätig ist. Wenn man mal den eigenen Stundensatz multipliziert mit der Zeit, die man fürs Sammeln aufwendet. Aber das ist eben auch eine schöne Lehre: Es geht nicht immer nur ums Geld. Vielmehr geht es darum, sich im Einklang mit sich selbst zu fühlen, während dem was man so macht. Und Nahrung in der Natur suchen hat für mich auch noch einen weiteren positiven Aspekt: Lernen, mir selbst zu vertrauen. Etwas essen, das ich anhand meiner Erfahrungen als gut befinde anstatt mich auf gekaufte Lebensmittel zu beschränken, deren Produzenten die Kontrolle der Lebensmittelsicherheit übernehmen.
Was kommt als nächstes? Vielleicht Bärlauch im nächsten Frühjahr? Ich glaube, ich könnte bereit dafür sein…